Nein zur rassistischer Stimmungsmache nach Silvesternacht 2022/23

KV StuttgartMeldung

von Onur Capci (Mitglied im Kreisvorstand der LINKEN Stuttgart)

Die letzten Monate des Jahres 2022 waren medial geprägt durch die Diskussionen über das neue Einwanderungsgesetz bzw. Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die von der CDU und AfD bekämpft wird. Das Jahr 2023 begann unter anderem mit Diskussionen über die Gewaltausbrüche der Silvesternacht, in der Sicherheitskräfte, aber auch Rettungskräfte (was klar zu verurteilen ist!) attackiert wurden. Rechte Kreise, bürgerliche Parteien und Medien berichteten zum Teil verzerrt über die Ereignisse, und zwar in einer Weite, die geeignet war, die Debatten über angeblich »gescheiterte Integration« und »kriminelle Migranten« wieder aufzuwärmen.

Was war in der Silvesternacht geschehen?
Die Berliner Polizei meldete 145 Festnahmen in Berlin-Neukölln, aufgrund von Feuerwerks-Angriffe auf Sanitäter, Feuerwehrleute und Einsatzkräfte. Die Medien verbreiteten die Meldung der Polizei komplett unkritisch weiter, unmittelbar danach entfachte sich eine »neue« Integrationsdebatte. Friedrich Merz sprach von »kleinen Pashas«, die Berliner CDU wollte die Vornamen der Täter veröffentlicht wissen und Stimmen aus der FDP nach mehr Law-and-Order wurden laut. Die üblichen Ausbürgerungs- und Abschiebe-Forderungen der AfD sind dabei nichts Neues. Doch neu ist, dass leider auch die SPD sich so entschlossen in diese »Integrationsdebatte« einreihte. Innenministerin Faeser sprach von »gewaltbereiten Integrationsverweigerern« und Problemen mit »bestimmten jungen Männern mit Migrationshintergrund, die unseren Staat verachten, Gewalttaten begehen und mit Bildungs- und Integrationsprogrammen kaum erreicht werden.« Die Spitzkandidatin der Berliner-SPD sprach von einer Zäsur. Stichwort Wahlen in Berlin: Mir scheint es, dass es bei den ganzen Diskussionen gar nicht mehr um die Gewalt in der Silvesternacht gehts, sondern vor allem um Wahlkampf auf dem Rücken von Migrant*innen. Was hier jetzt seit 2 Wochen gemacht wird, ist rassistische Hetze aus der sogenannten »Mitte«, die vor allem für rechte Kräfte einen Nährboden schafft!

»Gewaltbereiter Integrationsverweigerer« ?
Denn es kam nicht nur in Neukölln zu Ausschreitungen, sondern in ganz Deutschland, z.B. in Borna im Landkreis Leipzig. Auch die veröffentlichten Zahlen der Berliner Polizei waren falsch. Es gab »nur« 37 Festnahmen aufgrund von Angriffen in Neukölln, zumeist Jugendliche, die zu Zweidritteln die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Hier kann man der Berliner Polizei zumindest politisches Kalkül vorwerfen, insbesondere, wenn man den Verlauf der Diskussionen sieht und in Betracht zieht, dass Wahlen in Berlin bevorstehen. Die Angriffe auf Sanitäter und Feuerwehrleute sind natürlich zu verurteilen, gleichzeitig kann und darf es keine Ethnisierung der Ereignisse geben. Wenn es zu derartigen Gewaltausbrüchen kommt, liegen die Ursachen meist in den sozialen und ökonomischen Strukturen der Gesellschaft. Keine gesellschaftliche Teilhabe, keine guten Perspektiven und ein immer höherer Druck mit steigenden Lebenshaltungskosten sind die grundlegenden Probleme unserer Gesellschaft. Wie die Zahlen es auch zeigen, die beteiligten Jugendlichen sind zum größten Teil in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert. Sie sind Kinder dieser Gesellschaft. Deshalb ist unser Problem weder die Migration noch die künstlich aufgebauschte Integrationsdebatte! Es darf nicht passieren, dass die rassistisch geführten Debatten genutzt werden, um Gesetzesverschärfungen und Law-and-Order-Politik durchzusetzen. Es darf nicht passieren, dass Migrant:Innen schon wieder als Sündenböcke hinhalten müssen, damit von den wahren Problemen der Gesellschaft, den steigenden Preisen und sinkenden Lebensstandard für den Großteil der Bevölkerung, abgelenkt werden kann.